Diese Frage kam in den letzten ca 12Monaten vermehrt in mein Bewusstsein. Es ist nie bequem eingefahrene Verhaltensweisen, Muster und Denkweisen zu hinterfragen, doch merke ich immer wieder, wie wichtig genau dies ist. Weil das Ergebnis auch meine Arbeit betrifft (Auflösung am Ende) und viele andere Tierliebhaber sich hierher einfinden, möchte ich meine Gedanken zu dem Thema teilen. 😉
Inzwischen hab ich meine persönlich glasklare Antwort auf die Fragen oben, sie ist bei beiden die Gleiche: Nein, muss es nicht. Genau wie ich und jedes andere Wesen, ist ein Pferd es wert um seiner selbst geliebt und geschätzt zu werden – ohne Leistung bringen zu müssen.
In unserer Leistungsgesellschaft ist es so normal, dass wir es oft wie selbstverständlich wahrnehmen:
Nur wenn jemand etwas leistet, ist er wertvoll und/oder liebenswert. Aufmerksamkeit bekommt man häufig nur durch besondere Leistung oder Leistungsabfall bzw. wenn es einem schlecht geht. Das ist in uns Menschen tiefer verankert, als wir glauben. Ich entdecke erst nach und nach, wo überall dieses Muster greift. Dabei wünschen wir uns doch alle, Hand aufs Herz, dass wir so geliebt und als wertvoll gesehen werden, wie wir sind. Bedingungslos, erwartungslos, auf Augenhöhe.
Doch selbst fordern und erwarten wir, stellen Bedingungen auf und kontrollieren.
Ich wünsche mir für mich selbst Gefühle von Autonomie/Freiheit, bedingunsloser/erwartungsloser Wertschätzung & Liebe und die Erlaubnis so zu sein, wie ich bin. Dementsprechend seh ich mich in der Aufgabe auch genau dies anderen, ob Tier oder Mensch, zu schenken – so gut ich eben kann, denn wir alle sind Lernende.
Und auch wenn ich zu dem Zeitpunkt die Frage aus dem Titel für mich schon beantwortet hatte, so ist sie doch ein erstes Sympom einer „Sinnkrise“, die ich wegen oben (unbewusst) gestecktem Ziel in den letzten Monaten erlebt hab… In meinen Augen muss ein Pferd aufgrund meines Zielwunsches für mich und damit auch andere nichts leisten, um mich glücklich zu machen oder muss sich gar sein Recht bei mir leben zu dürfen „verdienen“ indem es Dinge tut, die ich möchte oder brauche.

Genau das ist aber die Norm, aus der ich eben auch komme:
Wir wollen z.B. reiten, deshalb wird so lang trainiert, bis ein Pferd uns endlich brav aufsteigen & reiten lässt. Kaum einer hinterfragt, ob dies dann wirklich noch freiwillig zugelassen wird oder gar ob es aus Freude geschieht.
In meinen Augen gibt es das öfter, als man denkt, dass Pferde einfach nachgeben und etwas über sich ergehen lassen, weil sie gelernt haben, dass sie eh nicht wirklich mitreden dürfen. Sie dürfen nicht mitentscheiden, was für Aktivitäten gemacht werden, sie dürfen nicht über ihren eigenen Körper entscheiden. Sie werden ignoriert oder bestraft, wenn sie „nein“ sagen – auch wenn es unter dem Deckmantel „Natural Horsemanship“ ja die Denkweise gibt, dass man dem Pferd eine Wahl gebe. Doch mal ehrlich: Wieviel Wahl ist es denn wirklich, wenn jemand wählen kann zwischen a -> „ich mache XY nicht und bekomme stetig mehr/gleichbleibenden Druck“ und b -> „ich mache es und kann dem Druck entgehen“. Für mich, als sehr druckempfindlichen Menschen, ist das keine Wahl sondern versteckter Zwang, wenn vllt. auch (deutlich) netter verpackt, als auf so manch anderem Wege.

Auch wegen dem Leistungsgedanken ist es für viele absolut normal, die alten und unreitbaren Pferde wahlweise zum Schlachter oder im besseren Fall „auf die Weide“ zu stellen, also auch wegzubringen, um Kosten zu sparen und sich ein neues Pferd zum Reiten zu kaufen.
Genauso geht es oft den „Problempferden“, die stark genug sind ihr „nein“ vehement zu äußern, trotz Unmengen an Druck – und welche deshalb als zB unreitbar oder aggressiv abgestempelt werden. Dabei wollen sie vielleicht einfach nur mal wirklich erwartungslos mit liebevollem Blick gesehen werden und wünschen sich eine andere Herangehensweise, als die übliche.
Für mich zeigt dies und auch die Reaktion vieler Menschen auf mein (womöglich für immer) nicht „nutzbares“ Pony (Reiten/Kutsche), wie sehr viele von uns Pferdemenschen nach wie vor ein Pferd nur dann aktiv in ihrem Leben haben möchten, wenn sie es reiten können.
Früher in meiner Zeit im Sportpferdestall
Dort erlebte ich, wie viele Pferde durch den Sport entweder Frührentner wurden oder aber gar so gebeutelt waren, dass man nichts mehr machen konnte. Ein Pferd hatte eine etwas enge Luftröhre – beim Reiten manchmal schon auffällig, im Leistungsvoltigieren mit mehreren Personen auf seinem Rücken im Galopp keuchte er hörbar. Er lief brav weiter seine Runden, auch wenn der übermäßige Schweiß und das Atemgeräusch eigentlich Alarmzeichen hätten sein müssen. Erst weil (soweit ich mich erinnere) damals ein paar Richter (zum Glück) dies in Prüfungen wiederholt negativ bewerteten, wurde dieses Symptom angegangen und letzten Endes mittels einer OP inklusive langer Stehphase in einer ca 3x3m großen Box behoben. In meinen Augen zeigt dieses Beispiel so deutlich, wie blind wir Menschen manchmal sind und wie verrückt wir handeln…einfach weil wir unterbewusst soviel Leistungsdruck abgespeichert haben.
Was ich in Fällen des verletzungsbedingten Frührentnertums mitbekommen habe, erlosch das bis dahin tägliche Interesse an den geliebten Pferden in vielen Fällen rasch. Als mein damaliger Liebling (ebenfalls Voltigierpferd und für die Kids zuständig) unreitbar wurde, dementsprechend schnell „weg“ sollte und wo anfangs unklar war, ob wir schnell genug was finden würden, kam trotz Spendenaufruf kein einziger Euro von all den Müttern, die ihre Kinder vorher so gern auf ihm turnen ließen.
Es ist so normal ein Pferd zu „nutzen“, doch als Nutztier würde wohl keiner seinen Liebling bezeichnen wollen – obwohl es in meinen Augen genau das häufig ist.
Durchsetzen ist ein Muss!
Es ist, wie oben schon angerissen, üblich, dass man sich als Mensch um jeden Preis durchsetzen muss, erstrecht beim reiten. Sonst wird es gefährlich, so lernen es schon kleine Kinder. Und auch wenn Kinder besser mit ihrer Intuition verbunden sind und es sich deshalb meist schlecht anfühlt für sie – sie würden nie die „Großen“ hinterfragen. Und so fangen dann Kinder an, Pferde zu etwas zu zwingen, mit Druck, notfalls mit Schlägen und anderer Gewalt. Denn es wird entweder so vorgelebt oder sie werden sogar konkret angewiesen.
Einem Pferd, welches widerspenstig beim zB reiten ist, begegnen noch immer viele mit der inneren Haltung von „da muss er durch, ich muss ja auch Dinge tun auf die ich keine Lust hab!“. Nur weil ich persönlich es nicht schaffe alle Dinge mit Freude zu tun, bzw. mein Leben so umzugestalten, muss ein Pferd, das eh schon so abhängig von mir ist (in Bezug auf Haltung/Fütterung) ebenfalls unangenehme Dinge tun?!
Letztes Jahr erlebte ich, wie selbst bei anscheinend sehr „pro Pferd denkenden“ Menschen, diese Prägung noch wirkt: In einem tollen, wirklich artgerechtem Freizeitstall, wo ich beruflich als Fotografin war, sah ich auf dem Reitplatz ein relativ junges Pferd, welches bockte und offensichtlich keine Lust darauf hatte, was die Reiterin wünschte. Schließlich gelang es ihr, sich durchzusetzen und sie sagte lachend zu einer Frau am Rand „tja, mit 3 hört nunmal der Spaß des Lebens auf – bei uns Menschen ist es ja ähnlich, wenn wir erwachsen werden“.
Öfter, als man glaubt, wird es sogar als witzig oder zumindest normal empfunden, wenn das Pferd bockt, steigt, sich widersetzt oder sich schrecklich aufregt… Die Überzeugung, dass das Pferd einen nur verar***, ist da ebenfalls noch hoch im Kurs…
Wir vergessen bei unserem „Durchsetzen“ meist nur, dass Pferde still leiden. Ich bin mir sicher vieles wäre anders, wenn sie sich verbal äußerten bei Schmerzen, Protest oder Panik.
Auch vergessen wir dabei, dass Gewalt nicht nur körperlich geschehen kann. Genau wie auch wir Menschen nicht nur physisch, sondern auch psychisch missbraucht, unterdrückt und drangsaliert werden können, ist das mit Tieren möglich.
Und ja, für mich grenzt inzwischen vieles an Gewalt und Missbrauch in der Pferdeszene, physisch und psychisch.
Ein Pferd als Lauftier, welches sich ursprünglich fast permanent im Schritt fressend fortbewegt, langfristig in einer 3x3m Box länger als 12h zu halten, ist in meinen Augen nicht artgerecht und Quälerei. Doch es ist noch immer normal! Einen Hund oder 2, 3 Katzen in einem 3x3m Raum länger als 12h (oft noch bis zu 22h!) zu halten, was im Verhältnis noch immer deutlich mehr Platz ist, würden aber doch viele sofort als Quälerei erkennen.
In so, so vielen Punkten stellt der Mensch seine Bedürfnisse, über die des Pferdes, damit es für den Mensch schön praktisch, spaßig und „sicher“ ist.
Freiarbeit/Freiheitsdressur – wirklich freiwillig?
Selbst, wenn wir uns in der inzwischen sehr beliebten Szene der Freiheitsdressur/Freiarbeit umsehen, ist nicht alles Gold, was glänzt. Lange war auch ich von dieser Arbeit mit Pferden total geblendet. Wirklich geblendet… Denn ich sah vor lauter Show nicht, was dahintersteckte. Ich sah nur Pferde, die in einer riesigen Arena auf der Equitana, „freiwillig“ bei ihrem Menschen blieben und die tollsten Bewegungen, Lektionen und Reaktionen zeigten. Ich sah diesen Tanz und war hin und weg. Ich sah nicht, dass die Pferde eigentlich wie Marionetten exakt so tanzten, wie der Mensch es will und sie wenig Mitspracherecht und ehrlich, gefühlte Freiheit hatten.
Inzwischen weiß ich, dass dies noch immer auch dort die Regel ist: Ein weggehen vom Menschen, entziehen aus einer Lektion usw. wird zwar vllt recht sanft, aber dennoch unterbunden, bzw. unbequem gemacht. Bis das Pferd endlich „freiwillig“ das tut, was der Mensch will.
Doch Freiarbeit, in der das Pferd nicht wirklich weg gehen darf ohne Konsequenzen, ist für mich keine Freiarbeit mehr, es ist Freiheitsdressur. Ein Pferd wird dressiert, etwas zu tun, doch verkauft wird es als freiwilliger, gemeinsamer Tanz.
Ehrliche Freiheit sieht doch anders aus, oder?
Und doch möchten wir Menschen so sehr glauben, was unsere Augen auf den ersten Blick sehen – wir möchten glauben, dass ehrliche Freiheit und solche gemeinsamen Tänze und Spiele möglich sind. Und das ist es, davon bin ich überzeugt!!!
Nur ist dafür Augenhöhe wichtig, die nicht gegeben ist, solange permanent einer „doch“ sagt, wenn einer „nein“ sagt, bis es eben ein „ja“ wird. Je öfter beide spontan ohne notwendige Überzeugungskräfte „ja“ sagen, desto mehr kann sich ehrliche Freiheit einfinden.
Um noch am Ende konkret auf das Reiten zu sprechen zu kommen:
Ein Pferd, welches nicht will, trotzdem zu zwingen geritten zu werden, ist für mich pure Gewalt und in meinen Augen einer Vergewaltigung ähnlich (natürlich nur im etwas übertragenen Sinne!). Denn das „Nein!“ des Pferdes wird ignoriert und im Ernstfall wird sich durchgesetzt, ob mit stetig anhaltendem Druck oder bis hin zur Gewaltanwendung – bis es aufgibt. Jemand benutzt einen Körper zu seiner Freude, obwohl derjenige „nein“ sagt… Es kann nicht mehr selbst über den eigenen Körper entschieden werden.
Wie in der Freiarbeit muss dies irgendwann gar nicht mehr so offensichtlich sein, denn wenn Pferde einmal gelernt haben, dass ihre Meinung nicht gehört wird und sie nicht durchkommen mit ihrem Nein, wird ihr Widerstand stetig kleiner. Manche zeigen ihn eh nie, da sie schon in der Aufzucht gelernt haben, immer nachzugeben… Bis es eben nur noch ein kurzes Zögern oder Weigern ist, was sich schnell gibt…
Es gibt sicher Dinge, die sind lebenswichtig für ein Pferd, wie sich Halftern lassen, führen lassen, Schmiedbesuche… und doch – das Reiten gehört zB nicht dazu.
Spannend ist ja, dass nahezu jeder aus vollem Herzen sagt, er liebt sein Pferd und will nur das Beste. Und das glaube ich auch!
Wie wir groß werden und was vorgelebt wird, übernehmen wir unterbewusst, ob wir wollen oder nicht.
All jene Menschen, die so wie oben beschrieben mit ihren Pferden umgehen, würden bestimmt mit reinem Gewissen sagen, dass sie ihr Pferd lieben und das Beste geben. Und das glaube ich wirklich. Doch ist ihre eigene Definition von Liebe, dem Besten und vor allem Gewalt & Druck eben inzwischen eine so konträre, zu meiner, dass es mir Bauchschmerzen macht. Früher zu der Zeit im Sportstall fing Gewalt für mich erst beim heftigen Verdreschen mit der Gerte oder beim „Barren“ an, wo beim Springtraining Stöcke auf das Pferdebein gehauen werden. Heute fängt für mich Gewalt ganz woanders an…
Was all das für meine Arbeit als Pferdefotografin bedeutet
Als Pferdefotografin erlebe ich solche unschönen Momente zwar zum Glück nur abgeschwächt, doch zeigt sich dennoch schnell beim Shooting die innere Einstellung zum Pferd. Daraus lässt sich schnell folgern, wie der Alltag aussieht…
Und tatsächlich kam ich in den letzten 3 Jahren jedes Jahr einmal stark an meine Grenze. Das letzte Mal Anfang diesen Jahres saß ich danach sogar weinend im Auto, weil es mir so weh tat im Herzen. Was in dem Moment das Schlimmste für mich war: eigentlich war der Umgang objektiv betrachtet gar nicht mal so außergewöhnlich gewalttätig. 1, 2 mal ein Zügelruck oder leichter Klaps – und sonst nichts. Sofern man eben abfällige Bemerkungen, wie „der Arsch hat mich austricksen wollen, der Arsch nutzt es aus, dass ich keine Sporen an hab…“ und folgendes Gelächter zb als nichts ansehen kann… Ich kann das nicht mehr, merk ich…
Denn mit zunehmendem Verständnis fürs Pferd & sein Verhalten und mit zunehmender Sensibilität und Reflexion, macht solch ein Erlebnis von gedankenlosem, blind dominantem, in meinen Augen auch manchmal schon ziemlich gewalttätigem Verhalten etwas mit mir. Ich bin auch lange nicht perfekt, doch die innere Einstellung ist einfach spürbar und für mich inzwischen sehr wichtig.
Auch wenn viele und vielleicht sogar der Großteil dies nicht nachvollziehen können:
Ich möchte nur noch den Pferdemenschen meine Energie, Zeit und Kunst schenken, die ein glückliches Pferd als Partner auf Augenhöhe mit möglichst artgerechter Haltung an der Seite haben.
Alles andere fühlt sich immer mehr an, als würde ich meine Seele verkaufen. Denn ich kann einfach nicht mehr dahinter stehen.
Ein Pferd sollte wie ein Pferd leben dürfen, nicht wie ein stets verfügbarer und gefügiger Sklave. Sicherlich gab es damals auch Menschen, die ihre Sklaven geliebt haben. Das macht es aber doch nicht so wirklich viel besser oder…?